Neues Erdgas-Seebäderschiff HELGOLAND in Cuxhaven erfolgreich getauft

Umweltfreundlicher Erdgasantrieb wird als zukunftsweisend angesehen

Am 11. Dezember 2015 wurde in Cuxhaven deutsche Schifffahrtsgeschichte geschrieben, wurde dort doch der erste in Deutschland erbaute und mit verflüssigtem Erdgas betriebene Schiffsneubau getauft und in Dienst gestellt. Christa Eils, Witwe des vor fast sechs Jahren verstorbenen Reedereigründers Cassen Eils, taufte in Anwesenheit von über 350 geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft bei typisch norddeutschen „Schmuddelwetter“ den 83 Meter langen und 12,6 Meter breiten Erdgas-Neubau, der von der renommierten Fassmer-Werft in Berne an der Unterweser erbaut wurde, auf den Traditionsnamen HELGOLAND. Am 16. Dezember nahm das in Cuxhaven beheimatete Schiff dann regulär den ganzjährigen Seebäderverkehr auf und löste das über 40 Jahre alte Seebäderschiff ATLANTIS auf dieser Strecke ab, die zunächst als Reserveschiff aufgelegt wird. Nach Abschluss der Tauffeierlichkeiten absolvierte die HELGOLAND sogleich die Jungfernfahrt zum Roten Felsen in der Nordsee und konnte bei stürmischer See den Gästen das gute Seegangsverhalten, auch aufgrund des dynamischen Stabilisatorensystem von Blohm + Voss, demonstrieren, die mit einer Fläche von jeweils drei Quadratmetern und einem Gewicht von 11 t je Seite, die Rollbewegungen verringern.

Erster Neubau Deutschlands mit Erdgastechnik

Der im Auftrag der Fassmer-Werft auf der Hullkon Shipyard in Szczecin gebaute Stahlrumpf der neuen HELGOLAND traf im Dezember 2014 bei Fassmer an der Unterweser ein und wurde anschließend an allen Gewerken von der Werft vollständig ausgebaut. Der Auftrag mit der Baunummer 1889 ist nunmehr der erste Neubau im Seebäderverkehr nach Helgoland seit 40 Jahren sowie der erste Passagierschiffsneubau unter deutscher Flagge mit der umweltfreundlichen Erdgastechnik. Zuvor hatte die Reederei Cassen Eils im Frühjahr 2013 einen Verkehrsvertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren unterzeichnet, dass die Reederei den regelmäßigen Winterdienst mit wöchentlich mindestens sechs Abfahrten zwischen Cuxhaven und Helgoland sicherstellt.

Reederei investiert 31 Millionen Euro

Der Bau des bis zu 1040 Passagiere fassenden Neubaus hat rund 31 Millionen Euro gekostet und wurde später mit EU-Fördergeldern aufgrund des in der Schifffahrt bislang noch neuartigen Erdgas-Antriebskonzeptes in Höhe von fast vier Millionen Euro bezuschusst. Dr. Bernhard Brons, Vorstand der AG „EMS“ zu der die Reederei Cassen Eils seit fünf Jahren gehört, erklärte, dass das Schiff, das im Design den bisherigen Seebäderschiffen entspricht, für einen Helgoland-Einsatz auf die nächsten 40 Jahre konzipiert wurde. „Es hat zwar ein bisschen länger gedauert mit der Indienststellung als gedacht, aber unter dem Strich ist ein hervorragendes Schiff entstanden. Entscheidend ist aber der ökologische Fußbadruck“, sagte Brons weiter und dazu gehört nach seinen Worten der so genannte technische Quantensprung: „Durch die Erdgas-Technik werden unter anderem 90 bis 95 % weniger Schwefel und Stickoxide ausgestoßen und Feinstaub fällt völlig weg.”

Neubau ist Türöffner für Fassmer Werft

Werftchef Harald Fassmer an Bord der neuen Helgoland.
Werftchef Harald Fassmer an Bord der neuen Helgoland. © C. Eckardt

Harald Fassmer, Geschäftsführer der Fassmer Werft erklärte: „Die neue HELGOLAND, das sind 83 m Erdgas – ein hoch innovativer Neubau und eine großartige Referenz in Richtung Zukunft und Umweltschutz“. Auch wenn die Werft mit diesem Neubau aufgrund der vielen Sicherheitsaspekte viel dazu lernen musste, sieht Fassmer die HELGOLAND auch als Leuchtturmprojekt und Türöffner für weitere Projekte. Die Werft, die in ihrem Portfolio unter anderem auch auf den Bau von Arbeits- und Behördenschiffen ausgerichtet ist, sieht hier ein enormes Potential für diese umweltfreundliche Antriebstechnik, da alle diese Schiffe im küstennahen Verkehr zum Einsatz kommen. Aber auch im Bereich der Forschungsschifffahrtoder auch im Yachtbau sieht Fassmer Einsatzmöglichkeiten der Erdgas-Technik.

Wöchentliche Betankung in Cuxhaven

Cuxhavens Oberbürgermeister Dr. Ulrich Getsch sieht das neue Seebäderschiff als „ein Gewinn für Cuxhaven und Helgoland“. Die Umweltverträglichkeit sieht er als Aufwertung für den Schiffsbetrieb und ist sich sicher, dass das neue Helgoland-Schiff auch eine neue Attraktion im Tourismus nach Helgoland bedeutet, da nunmehr mehr Gäste nach Cuxhaven kommen. Viele Gäste werden nach seiner Meinung von Cuxhaven aus das Schiff für einen Kurzurlaub zu Deutschlands einziger Hochseeinsel unternehmen, wobei viele Ausstattungsmerkmale der neuen HELGOLAND mehr an ein Kreuzfahrtschiff als an ein herkömmliches Seebäderschiff erinnern. Eine Absage erklärt Getsch den Plänen einer möglichen LNG-Bunkerstation in Cuxhaven. Diese sieht er aufgrund von notwendigen Sicherheitsabständen und den beengten Verhältnissen im Hafengebiet eher in Brunsbüttel oder in Hamburg angesiedelt. Solange die neue LNG-Bunkerbarge von Bomin-Linde noch nicht in Betrieb ist, die Ablieferung ist nach Auskunft des technischen Direktors von Bomin-Linde, Günter Eiermann, für 2017 vorgesehen, wird somit die wöchentliche Betankung der  HELGOLAND mit rund 40 m³  verflüssigtem Erdgas (LNG) über eine LKW-Betankung an der Pier in Cuxhaven erfolgen. Das von Bomin Linde gelieferte verflüssigte Erdgas wird jährlich über 1200 m³ Marinediesel ersetzen, die bei einem vergleichbaren konventionellen Schiff als Kraftstoff benötigt würden.
Das Herzstück der neuen HELGOLAND befindet sich auf Deck 1 des Schiffes: Zwei Wärtsilä-Dual-Fuel Hauptmaschinen vom Typ 9L20 DF mit einer Leistung von je 1.665 kW, wobei der Antrieb über je ein Getriebe auf je einen Verstellpropeller erfolgt. Zusätzlich erfolgte der Einbau von drei MAN-Stromgeneratoren mit einer Leistung von je 500 kW. Durch Zuschaltung dieser Stromgeneratoren im Fahrbetrieb kann die HELGOLAND dann beispielsweise im Tidenstrom auf der Elbe auch die maximale Geschwindigkeit von 20 kn erreichen. Für den vorrangigen Erdgasbetrieb wurde auf dem Schiff ein spezieller LNG-Vorratstank mit einem Volumen von 54 m³ mit dem entsprechenden Sicherheits- und Aufbereitungssystem aus dem Hause Wärtsilä installiert.
Dr. Bernhard Brons betonte, dass nicht nur der Erdgas-Antrieb sondern auch die spezielle Rumpfform zu einem umweltfreundlichen Einsatz des Schiffes beitragen. Schon in der Planungsphase wurde das ursprüngliche Rumpfkonzept, nach eingehenden Tests bei der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) verändert: So ist die HELGOLAND nun 4 m länger, 20 cm breiter und mit einem Tiefgang von nun 3,60 m auch flacher als die ursprüngliche Planung, so dass dieses nun neben einem besserem Seegangsverhalten auch über eine höhere Energieeffizienz verfügt.

HELGOLAND bietet auch Frachttransport an

Neu ist bei der Reederei Eils nun auch der Frachtdienst auf der HELGOLAND. Auf dem Vordeck bzw. unter Deck können bis zu zehn Zehn-Fuß-Container befördert werden, wobei die Container mit einem bis zu 10 Tonnen tragenden schiffseigenen Kran des italienischen Herstellers Heila übernommen werden. Durch den, von der Inselgemeinde Helgoland gewünschten Frachteinsatz, wird die HELGOLAND somit nicht mehr auf Reede vor Helgoland liegen, sondern wird direkt im Südhafen anlegen. Damit entfällt das zum Teil auch nicht immer ganz ungefährliche Ausbooten für die Passagiere.
Jörg Singer, Bürgermeister von Helgoland, schwärmt abschließend weiter über das neue Helgolandschiff: „Helgoland ist im Aufwind und die Indienststellung der neuen HELGOLAND ist aktuell der schönste Moment, den die Insel erfahren kann. Noch vor fünf Jahren war dieses Schiff eine Utopie. Mit Innovation im Antrieb, Komfort und Umweltschutz setzt das Schiff neue Maßstäbe für die Zukunft. Das neue Schiff knüpft an die Ära der Klassiker im Helgoland-Seebäderdienst an.“ Damit sich die Passagiere ein Bild von der Ära der klassischen Seebäderschiffe machen können, müssen zumindest die Herren die Toiletten auf Deck 2 besuchen: Neben vielen anderen maritimen Ausstattungsmerkmalen wurde dort auf den Toilettentüren die bisherige Flotte der Reederei Cassen Eils aufgedruckt.

Vorheriger ArtikelWeltweit erste Klappschute mit Erdgas- und Torque Antrieb
Nächster ArtikelSCANIA knackt die 1.000 PS-Grenze
Christian Eckardt
Redaktionsmitglied bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Schifffahrt und Offshoretechnik.