Stromversorgung während der Hafen-Liegezeit

Becker LNG Power Pac im Hafen Hamburg. © Werk
Becker LNG Power Pac im Hafen Hamburg. © Werk

Problemfall Hafen-City Hamburg

Der Beschluss der Hamburger Bürgerschaft, das ehemalige Speicherviertel des Hafens für die „wachsende Stadt“ und damit auch für den Wohnungsbau zu nutzen, hat den Käufern teurer Eigentumswohnungen keine reine Freude beschert. Schon bald wurden Klagen laut über unzumutbare Emissionen der Schiffe. Das förderte Diskussionen, zum Beispiel über die Versorgung – vor allem der Kreuzfahrtschiffe, die in Hamburg quasi vor der Haustüre festmachen – mit Landstrom, statt während der Liegezeit deren Bordaggregate laufen zu lassen.

Wenn man davon ausgeht, dass der Strombedarf mancher Kreuzfahrtschiffe in der Größenordnung des Bedarfs einer Kleinstadt liegt, dann ist selbst die Stromerzeugung an Bord mit Gasöl als Kraftstoff mit großen Mengen unerwünschter Emissionen verbunden. In dem Maße, in dem die Zahl Hamburg anlaufender Kreuzfahrtschiffe anstieg, wurde der Ruf nach Landstromanschlüssen lauter, doch die Lösungen sind landseitig teuer und ließen folglich auf sich warten. Von den drei Hamburger Terminals hat bislang nur eines eine Landstromversorgung. Diese Lücke wollte Becker Marine Systems mit der Schute „Hummel“ schließen und nutzen.

Containerschiff im Hamburger Hafen. © Pospiech
Containerschiff im Hamburger Hafen. © Pospiech

Nach den Kreuzfahrtschiffen gerieten die Containerschiffe ins Blickfeld. Auch sie sollten während der Liegezeit mit Landstrom versorgt werden, doch das ist in der Praxis schwieriger zu realisieren als bei den Kreuzfahrtschiffen. Dennoch müssen Containerschiffe in bestimmten Fahrtgebieten für die Landstromversorgung eingerichtet sein. Auch hierzu fiel den Fachleuten bei Becker Marine Systems eine alternative Lösung ein, bei der es sich grob gesagt um eine von der Technik der „Hummel“ abgeleitete autarke Stromerzeugungsanlage handelt, die in zwei 40‘-Containern untergebracht ist. Sie wurde am 22. August 2018 am Burchardkai im Hamburger Hafen vorgestellt, das sogenannte „LNG Power Pac“.

Die mobile Stromerzeugungsanlage

Um es vorweg zu nehmen, von einem „neuartigen mobilen Generator“ oder einem „gasbetriebenen Generator“, wie es in der Pressemitteilung der HHLA zum Ereignis heißt, kann natürlich keine Rede sein. Mit Gas lässt sich nichts antreiben, auch kein Generator. Bei der von Becker Marine entwickelten mobilen Stromerzeugungsanlage handelt es sich schlicht um ein containerisiertes Generatoraggregat mit einem Ottomotor als Antrieb in einem und einen entsprechend isolierten Kraftstofftank für die Aufnahme von verflüssigtem  Erdgas im anderen Container, und das sind heute Standardbauteile.

Das Generatoraggregat ist, bis auf das hier nicht verwendete Getriebe für die Umschaltung vom 50- auf den 60-Hz-Betrieb, baugleich mit den Aggregaten auf der Schute „Hummel“. Der Generator wird von einem Gas-Ottomotor des Typs G 3516 C von Caterpillar angetrieben, der bei einer Drehzahl von 1800/min eine Leistung von 1560 kW abgeben kann.

Der Ottomotor wird mit Erdgas betrieben. Dafür ist in den zweiten Container ein Isoliertank vom Typ C eingebaut, der 8,2 t verflüssigtes Erdgas (LNG) aufnehmen und ohne Entnahme 90 Tage lagern kann. Der Tank ist für einen maximalen Innendruck von 9 bar ausgelegt. Die Erdgasmenge soll nach Angaben von Becker Marine bei einem Lastfaktor von 0,9 für eine Betriebszeit von 28 bis 30 Stunden ausreichen. Bei längeren Liegezeiten kann ein weiterer Tank-Container dazu gestellt werden.

Der Generator arbeitet mit einer Spannung von 6,6 kV und kann bei der üblichen Bordnetz-Frequenz von 60 Hz eine maximale Leistung 1500 kW abgeben. Reicht die Leistung für den Bordbetrieb des betreffenden Schiffes nicht aus, dann kann eine weitere Gruppe zum Einsatz kommen, womit die verfügbare elektrische Leistung auf 3 MW steigt. Die beiden Container haben, voll ausgerüstet und mit gefülltem Erdgastank, zusammen ein Gewicht von 60 t. Sie werden, soweit die Terminalanlagen dies zulassen, gemeinsam an Bord genommen. Andernfalls müssen sie getrennt und in zwei Aktionen an ihren Platz gestellt werden.

Eine Klassifizierung des mobilen Aggregates ist nicht erforderlich, weil es nur während der Liegezeit an Bord gestellt wird und somit kein Teil des Schiffsbetriebs im engeren Sinne ist. Es wird nur nach Landbestimmungen abgenommen. Allerdings „muss der Flaggenstaat dem Procedere zustimmen“, so die Klassifikationsgesellschaft DNV GL, die auch eine Risikoanalyse erstellt, aber nichts klassifiziert oder zertifiziert hat. Auch Bureau Veritas soll hieran beteiligt gewesen sein, doch waren trotz mehrerer Versuche keine Informationen zu erhalten.

Die Anlage im Einsatz

Bevor die beiden Container für die Stromversorgung der Schiffe an Bord genommen werden können, muss der dafür vorgesehene Stellplatz in der letzten Reihe auf der Kai-abgewandten Seite des Achterdecks freigeräumt werden. Da die Handhabung der Container mit den üblichen Einrichtungen von Container-Terminals erfolgen kann, ist keine zusätzliche Infrastruktur erforderlich.

Die Verkabelung der Anlage wird über den Landanschluss-Container vorgenommen. Nach Start und Hochlauf des Ottomotors und erfolgter Synchronisierung des Generators können die Bordaggregate abgeschaltet werden.

Über den Nutzen für die Umwelt

Über die Vorteile der Verwendung von Methan (Erdgas) als Kraftstoff von Schiffsantriebsanlagen muss nicht mehr gesprochen werden, sie liegen auf der Hand. Nunmehr alternativ zur Stromlieferung von den Bordaggregaten oder Landstrom mobile Aggregate einzusetzen, die mit Methan als Kraftstoff betrieben werden, ist zweifellos lokal gesehen eine deutliche Entlastung der Umwelt. Bezogen auf den Hamburger Hafen würde dies bei regelmäßigem Einsatz der geplanten neun Anlagen eine deutliche Entlastung hinsichtlich Kohlendioxid, sowie der Stickoxide und der Partikel geben. Wann das der Fall sein wird, ist jedoch noch völlig offen. Die Schwierigkeiten und der gegenwärtig leider noch geringe Beitrag zum Umweltschutz, liegen in der unverändert im Hafen fehlenden Infrastruktur.

Auf Basis einer bereits 2012 durchgeführten Machbarkeitsstudie – die Initiatoren waren die Hamburger Hafenbehörde (HPA) und Linde – sollte bis Ende 2014 ein Erdgas-Bunkerlager in Hamburg entstehen und die HPA wollte zum selben Zeitpunkt ein Mess- und Peilboot mit Gas-Ottomotor als Antrieb in Dienst stellen. Weder in Hamburg noch in Bremen wurde bislang irgendeines der seiner Zeit geplanten Projekte realisiert. Obwohl der Hamburger Wirtschaftssenator vor einem Jahr verkünden ließ, dass im Hamburger Hafen nun doch ein Bunkerlager für Flüssigerdgas  entstehen sollte, schaut man in Hamburg – wie auf der SMM zu hören war – nun nach Brunsbüttel und hofft, in absehbarer Zeit mit Bunkerschiffen verflüssigtes Erdgas nach Hamburg holen zu können. Nach Äußerungen aus Fachkreisen reicht das jedoch nicht aus. Wie es heißt, benötigt man zusätzlich ein Zwischenlager.

Völlig abgesehen davon, ob es zu einem Zwischenlager in Hamburg kommen wird, die Planungen der German LNG Terminal GmbH sind derart optimistisch, dass die kommenden vier Jahre wohl kaum ausreichen dürften, um den Betrieb des „kombinierten LNG-Import- und Distributionsterminals“ in Brunsbüttel aufzunehmen. Außerdem knüpft das Unternehmen an die endgültige Entscheidung, die Ende 2019 erfolgen soll, zwei Bedingungen: Bis zur Entscheidung in gut einem Jahr muss die Genehmigung für den Bau des Terminals vorliegen und „ausreichendes Marktinteresse“ erkennbar sein. Fachleute bezweifeln, dass eine Genehmigung für ein fünf Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas fassendes Tanklager in 15 Monaten zu erhalten sei.

Gegenwärtig wird der Kraftstoff, sowohl für die Schute „Hummel“ wie für das LNG Power Pac, aus Zeebrugge mit Lkw geholt. Konkret bedeutet dies, dass für einen 30-stündigen Betrieb des Power Pacs ein Lkw fast dieselbe Zeit auf der Straße unterwegs sein muss. Zeebrugge ist schließlich rund 650 km von Hamburg entfernt, das macht 1300 km für Hin- und Rückfahrt. Insofern kann die Vorstellung der Anlage bislang nur demonstrativen Charakter haben, denn bei der Betrachtung ihres Wirkungsgrades muss der Kraftstoffverbrauch des Lkw hinzugerechnet werden. Dasselbe gilt für die Emissionen.

Schlussbemerkung

Wenn die HHLA und Hapag Lloyd mit Becker Marine Systems gemeinsam an die Erprobung des Power Pacs gehen, so ist das grundsätzlich zu begrüßen. Doch sollten über die Erprobung hinaus konkrete Ansätze zu erkennen sein, dass in Hamburg Politik und Wirtschaft wirklich bereit sind, die vom Hafen ausgehenden Emissionen zu vermindern. Und wenn Becker Marine Systems aus Steuermitteln Fördergelder in Millionenhöhe für die Entwicklung des Power Pacs erhält, ohne dass gleichzeitig ähnliche Beträge in die Schaffung der notwendigen Infrastruktur gesteckt werden, dann darf man trefflich fragen, wem nützt es?

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Hans-Jürgen Reuß
Der Autor betreibt ein Pressebüro mit den Schwerpunkten Schifffahrt, Schiffbau, Schiffbauzulieferindustrie und Schifffahrtsgeschichte.