„Hybrid“ hat Hochkonjunktur in der maritimen Wirtschaft

The new MTU hybrid propulsion system. ©MTU-RollsRoyce
The new MTU hybrid propulsion system. ©MTU-RollsRoyce

Der Sprach –Wirrwarr ist kaum noch zu überbieten

Seit der Umweltschutz die maritime Wirtschaft und ihre Organisatoren erfasst hat, überbieten sich einige Unternehmen mit der Vorstellung angeblich neuer Konzepte für den Schiffsantrieb, die zu einem „grünen“ Schiff führen sollen, soll heißen: einem Schiff mit möglichst wenig Emissionen an schädlichen Stoffen. Die jüngsten Ankündigungen und Präsentationen führen allerdings eher zu mehr als zu weniger Emissionen im Vergleich zu konventionellen Antrieben.

Wenn der Volkswagenkonzern einräumt, dass man erst einmal 100.000 Kilometer mit einem E-Golf gefahren sein muss, bevor man weniger CO2 emittiert als mit einem Diesel-Golf, dann muss man nicht mehr nach dem Preis für einen neuen Satz Akkus fragen. Dieser Sachverhalt ist zwar mit den sogenannten hybriden Antrieben einiger Hersteller nicht vergleichbar, aber er zeigt, wohin die Propaganda interessierter Kreise führen kann. Und dieses Verhalten ist vergleichbar! Das ist Missbrauch des Marketings beziehungsweise Populismus pur und somit nicht mehr seriös!

Wer einen Antrieb, bestehend aus einem oder mehreren Dieselmotoren, gekoppelt mit Generatoren, einem oder mehreren Propellern, die von Elektromotoren angetrieben werden und einem Satz Akkumulatoren, als „hybrid“ bezeichnet, ist weder sprachlich noch technisch ernst zu nehmen.

Antriebe dieser Art sind zum Beispiel auf den klassischen U-Booten weltweit seit Jahrzehnten der Antrieb. Bislang ist noch keine Werft auf den Gedanken gekommen, diesen Antrieb als hybrid zu bezeichnen. Warum auch? Das ist einfach kein solcher Antrieb, auch wenn MAN Energy Solutions das in einer Presseinformation vom 4. Juni 2019 so „verkaufen“ will. Angesprochen darauf zeigen die Techniker zwar volles Verständnis für die geäußerte Kritik. Verweisen jedoch letztlich auf die Schwierigkeiten der hausinternen Diskussionen und sogenannte Zwänge des Marketings aufgrund der kursierenden sprachlichen Ungenauigkeiten.

Glücklicherweise kann man physikalische Gesetze nicht nach Gutdünken verbiegen, aber die Fachsprache wird zunehmend zum Spielball des Marketings, wie gleich mehrere Unternehmen auf Nachfragen bestätigen. Gemeint ist natürlich nicht das klassische Marketing, sondern die versteckte Werbung. Selbst mit der sogenannten Öffentlichkeitsarbeit hat das nichts mehr zu tun.

Fachbegriffe werden solange verbogen, bis sie Allgemeingut werden, selbst in den Fachmedien. Ressortchefs angesehener Zeitungen und Zeitschriften bekennen sich unumwunden zu einer populären Sprache, angeblich um Zielgruppen zu erreichen, die mit der korrekten Fachsprache nicht zu erreichen seien. Sie übersehen dabei, dass die fachliche Kommunikation damit einer gewissen Beliebigkeit ausgesetzt wird oder nehmen es in Kauf.

Wie jüngste Äußerungen von Repräsentanten des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) zeigen, gehen derartige sprachliche Nachlässigkeiten inzwischen so weit, dass zum Beispiel ausgesagt wird, AIDA-Schiffe seien mit der Technik des Unternehmens XYZ ausgerüstet, obwohl nichts davon stimmt (der vollständige Sachverhalt dazu liegt der Redaktion vor). Und auf solchen Sachverhalten werden dann Bewertungen für das Kreuzfahrtschiff-Ranking des NABU vorgenommen.

Was von dieser Methodik zu halten ist, bleibt dem Leser überlassen.

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Hans-Jürgen Reuß
Der Autor betreibt ein Pressebüro mit den Schwerpunkten Schifffahrt, Schiffbau, Schiffbauzulieferindustrie und Schifffahrtsgeschichte.