Kaiser Franz Josephs Orientreise im Jahr 1869

SMS Kronprinz Erzherzog Rudolf
SMS Kronprinz Erzherzog Rudolf. © Naval History and Heritage Command

Besuch der Heiligen Stätten in Palästina und Teilnahme an der Suezkanaleröffnung

Vor 150 Jahren, im Spätherbst 1869 unternahm Franz Joseph, Kaiser von Österreich und Apostolischer König von Ungarn, eine Reise zu Land und zur See zu den Heiligen Stätten in Palästina und auf Einladung des ägyptischen Machthabers, Khedive (Vizekönig) Ismail Pascha zur Eröffnung des nach zehnjähriger Bauzeit fertig gestellten Suezkanals.

Die Reise in der Zeit zwischen 25. Oktober und 6. Dezember 1869,  die längste, die der Monarch je ins Ausland unternommen hatte und einzige, bei der er auĂźerhalb von Europa weilte, sollte auch dem Ausbau der Beziehungen Ă–sterreich-Ungarns nach dem SĂĽdosten Europas und dem Orient dienen, ferner der Vermittlung im schwelenden Konflikt zwischen Ă„gypten und dem Sultan in Konstantinopel. Der fertig gestellte Suezkanal war auch wichtig fĂĽr den Handel der Donaumonarchie mit Ostafrika, SĂĽd- und Ostasien.

Der Kaiser konnte aber nicht den ägyptischen Khediven aufsuchen, ohne vorher dessen Souverän, den osmanischen Sultan Abdelaziz (reg. 1861-1876) seine Aufwartung gemacht zu haben. Ebenso wurde auf der Hinreise Griechenlands König Georg I. (reg. 1862-1913) aufgesucht – beide Herrscher hatten 1867 Wien besucht.

Franz Joseph, der anlässlich eines Ministerrates in Pest geweilt hatte (die Städte Buda, Pest und Obuda wurden erst 1872 zu der einen Stadt Budapest vereinigt, Anm.), bestieg dort mit einer umfangreichen Begleitung, zu der auch die Ministerpräsidenten der beiden Reichshälften, Ferdinand Beust für Österreich und Gyula Graf Andrassy für Ungarn, sowie der gemeinsame Handelsminister Ignaz von Plener zählten, am 25. Oktober den Hofzug, der die Reisenden am Morgen des folgenden Tages nach Bazias an der Donau brachte.

Dort bestieg man die festlich geschmĂĽckten Dampfer ERZHERZOG RUDOLF und GISELA (benannt nach Kindern des Kaisers), die in das Engtal des Eisernen Tores einfuhren. Damals verbargen sich dort im Strombett tĂĽckische Klippen, die bei niedrigem Wasserstand nicht befahren werden konnten. Aus SicherheitsgrĂĽnden stiegen der Kaiser und seine Begleitung in Flachboote, die unter FĂĽhrung von Lotsen von der Strömung ĂĽber die Klippen des Eisernen Tores hinweg getragen wurden. In Orsova  ging der Kaiser an Bord des Dampfschiffes SOPHIE (Name seiner Mutter) , die ĂĽbrige Begleitung auf zwei andere Dampfer, die sie, vorbei an rumänischen, serbischen und bulgarischen Städten, nach Rustschuk (heute Russe) in dem damals noch zum Osmanischen Reich gehörenden Bulgarien brachten. Dort wurde Franz Joseph von GroĂźwesir Mehmet Emin Ali, dem österreichischen Internuntius (Botschafter) in Konstantinopel, Anton Prokesch von Osten und dem damaligen rumänischen Ministerpräsidenten Demeter Glyka, sowie groĂźen Menschenmassen empfangen. Auf einer seit drei Jahren bestehenden Bahn ging es nach Varna am Schwarzen Meer, wo unter dem Kommando  des Helden der siegreichen Seeschlacht von Lissa 1866, Vizeadmiral Wilhelm von Tegetthoff, vier österreichisch.-ungarische  Schiffe, die Dampfer ELISABETH und GARGAGNO und die beiden Kriegsmarine-Korvetten HELGOLAND und FIUME; sowie die dem Kaiser vom Sultan zur VerfĂĽgung gestellte Dampferjacht SULTANIEH auf die Abordnung warteten.

Das Erscheinen der beiden Korvetten der Donaumonarchie im Schwarzen Meer hatte internationale Auswirkungen. Russland, das im Krimkrieg (1853-1856) den Westmächten (Großbritannien, Frankreich und Sardinien) unterlegen war, hatte im Pariser Frieden von 1856 der sog. Pontus-Klausel über die Neutralisierung des Schwarzen Meeres (Verzicht auf den Unterhalt von Kriegsschiffen) zustimmen müssen. Das Auftreten der beiden österreichischen Kriegsschiffe nahm Russland zum Anlass, 1870 die Pontus-Klausel für sich zu kündigen und im Schwarzen Meer eine große Kriegsflotte aufzubauen. .

Salutschüsse empfingen den Schiffskonvoi bei der Einfahrt und Durchfahrt durch den Bosporus. Vor dem in Konstantinopel 1853 am Bosporus-Ufer errichteten neuen Dolmabahce-Sultanspalast wurde Franz Josef, der dort Quartier bezog, von Sultan Abdelaziz empfangen, unternahm am Ankunftstag per Boot eine erste Besichtigungsfahrt und traf mit dem gleichfalls zur Suezkanaleröffnung unterwegs befindlichen preußischen Kronprinzen Friedrich (dem späteren deutschen 99-Tage Kaiser) zu einem freundschaftlichen Gespräch zusammen – und dies drei Jahre nach der österreichischen Niederlage gegen Preußen 1866 bei Königgrätz.

Im Verlauf des weiteren Aufenthaltes in der Osmanischen Hauptstadt verfolgte der Kaiser u.a. den Auszug des Sultans zum Freitagsgebet, besichtigte das Serail (den alten Sultanspalast), die Haghia Sophia, die Irenenkirche und das Seraskeriat (Kriegsministerium),  nahm eine vom Sultan abgehaltene Militärparade am asiatischen Ufer ab, gefolgt von einem Besuch im Hauptbasar und einem Ausflug in ein Waldgebiet nahe der Stadt. Mit einem vom Sultan gegebenen Abschiedsbankett ging der Aufenthalt in Konstantinopel zu Ende.

Franz Joseph verlieĂź Konstantinopel am 1. November an Bord seiner hier eingetroffenen Jacht GREIF, der die beiden Dampfer ELISABETH und GARGAGNO folgten. Die ESKADERr durchfuhr das Marmarameer und die Dardanellen, an deren SĂĽdausgang die Panzerfregatte ERZHERZOG MAX (Bruder des Kaisers) und das Kanonenboot HUM dazu stieĂźen. Einen Tag später gelangte man nach dem Hafen Piräus. In Athen wurde der Kaiser von König Georg I. und Königin Olga empfangen, Höhepunkte des zweitägigen Aufenthaltes hier  war eine Besichtigung der Akropolis und des Thissions (Theseustempel). Die beiden Kriegsschiffe fuhren von Piräus direkt nach Port Said, um dort die Ankunft des Kaisers zur Suezkanaleröffnung zu erwarten.

Die dreitägige Überfahrt nach dem palästinensischen Hafen Jaffa erfolgte durch eine aufgewühlte See, die meisten Passagiere wurden seekrank, auch der Kaiser musste sich zeitweise übernehmen. Vom Dampfer ELISABETH kam die Botschaft „Ave Caesar, morituri te salutant“ (Heil Dir, Caesar, die Todgeweihten grüßen Dich – im alten Rom der Gruß der in die Arena einziehenden Gladiatoren beim Vorbeimarsch an der kaiserlichen Loge, Anm.). Franz Joseph ließ von der GREIF antworten „Requiescat in pace“ (Ruhet in Frieden).

Nach der Landung in Jaffa bei starker Brandung am Abend des 7. November ging es tags darauf nach einer erneuten kurzen Begegnung mit dem aus Jerusalem zurĂĽckkehrenden Kronprinzen  Friedrich von PreuĂźen zu Pferde, begleitet von einer riesigen Karawane in Richtung Jerusalem, das aber erst nach einem Nachtlager bei Abu Gosh erreicht wurde. Es gab einen triumphalen Einzug des Kaisers durch Ehrenpforten, unter Glockengeläut, Fanfaren von Militärkapellen, SalutschĂĽssen und durch fahnengeschmĂĽckte StraĂźen in die Heilige Stadt, wo ihn Menschenmassen, Geistliche aller Bekenntnisse und viel Prominenz erwarteten. Franz Joseph fĂĽhrte auch den Titel eines „Königs von Jerusalem“ (dieser aus der Kreuzfahrerzeit stammende Titel war vom Gatten Maria Theresias, Franz Stephan von Lothringen, auf das Haus Habsburg ĂĽber gegangen, er ist seit 1918 erloschen, Anm.).Zuerst ging es zur Grabeskirche (die der Kaiser  während seines Aufenthaltes in Jerusalem insgesamt dreimal aufsuchte), auf den Ă–lberg und nach Bethanien (Lazarusgrab) , bevor im 1863 eröffneten Ă–sterreichischen Pilgerhospiz Quartier bezogen wurde.

Am 9. und Vormittag des 10. Novembers  erfolgten zahlreiche Besichtigungen in Jerusalem, Begegnungen mit den Patriarchen anderer christlicher Bekentnisse,  sowie Besuchen im jĂĽdischen Stadtviertel, in Kirchen, Klöstern und sozialen Einrichtungen, die alle vom Kaiser zwecks Ausbau und Unterhalt mit zahlreichen Spenden beacht wurden, woran heute noch mancherorts Inschriftentafeln erinnern. Am Nachmittag des 10. November wurde Bethlehem besucht, am 11. November die moslemischen Stätten am Tempelberg (Felsendom und El Aksa-Moschee), bevor es  mit einer Karawane in das Jordantal ging, wo in einem vom Sultan zur VerfĂĽgung gestellten Zeltlager ĂĽbernachtet wurde. Tags drauf suchte der Kaiser die ĂĽberlieferte Taufstelle Christi am Jordan auf, dann Jericho und das Ufer des Toten Meeres, dann ging es nach Jerusalem zurĂĽck. Am 13. November erfolgte die Abreise aus Jerusalem; wieder unter groĂźer Anteilnahme der Bevölkerung als Dank fĂĽr die kaiserlichen Wohltaten. Jaffa wurde erst am 14. November nach einem Nachtlager in Ramleh erreicht.

An diesem Tag erfolgte eine fast lebensgefährliche Einschiffung des Kaisers auf seine Jacht GREIF, um nicht zu spät zur Suezkanaleröffnung zu kommen. Starker Wind und die dadurch verursachte Brandung lieĂźen die von sechs Ruderern und einem arabischen Steuermann geleitete Barke Franz Josephs bald hoch, bald tief auf den Wellen reiten, vom Ufer von der Stadtbevölkerung und der restlichen Begleitung mit Bangen verfolgt. Wegen des hohen Seeganges war die Falltreppe der GREIF nicht benĂĽtzbar, die Schiffsbesatzung zersägte eine  Teil der Balustrade, befestigte daran einen Flaschenzug, von dem der Kaiser klitschenass, aber unversehrt mit einer Traggurte an Bord gehievt wurde. Wahrscheinlich war es dieses Abenteuer, das Franz Joseph später Fahrten zu Wasser eher meiden lieĂź. Die ĂĽbrige Begleitung gelangte erst einen Tag später auf die beiden Begleitschiffe, kam aber zur Kanaleröffnung zurecht.

Port Said am 15. und 16. November: Khedive Ismail Pascha erwartete vor diesem Hafen auf seiner Jacht die eintreffenden Ehrengäste aus allen Seeanrainerstaaten, auch zahlreiche Handelsschiffe, darunter auch solche von der Reederei Österreichischer Lloyd waren gekommen. In die gegenseitigen Besuche auf den Schiffen, darunter auch seitens Kanalerbauer Ferdinand de Lesseps (nach Plänen des Österreichers Alois Negrelli) , war auch Franz Joseph eingebunden: Bei der ersten problemlos verlaufenen Durchfahrt von insgesamt 120 Schiffen durch den Kanal wurde der Konvoi von der Jacht AIGLE der französischen Kaiserin Eugenie mit Lesseps an Bord angeführt, ihr folgte die GREIF Franz Josephs und die beiden Begleitschiffe, gefolgt von der GRILLE, mit Preußens Kronprinzen, sodann die anderen Ehrengäste. Am 20. November warfen die Schiffe vor Suez ihre Anker, Franz Joseph und seine Begleitung begaben sich auf dem Bahnweg nach Kairo, wo der Kaiser im Gesireh-Palast als Gast des Khediven Quartier bezog. In den Tagen darauf erfolgten umfangreiche Besichtigungen in Kairo, es gab aber auch zusammen mit Österreichs Regierungschef Beust politische Gespräche, um den Khediven dazu zu bewegen, ein beiderseits erträgliches Verhältnis zum Sultan in Konstantinopel herzustellen. Denn den Großmächten, also auch der Donaumonarchie lag sehr am Frieden im Nahen Osten, auch aus handelspolitischen Gründen.

Die beiden letzten Tage in Kairo standen im Zeichen des Besuches des ägyptischen Museums, Ritten zu den Pyramiden von Sakkara, sowie einer Besteigung und Innenbesichtigung der Cheopspyramide. Am 25. November fuhr der Kaiser mit der Bahn nach Alexandria, in dessen Hafen die österreichischen Schiffe ihn und seine Begleitung erwarteten.

Ein auf der RĂĽckfahrt nach Europa geplanter Stop in Brindisi zwecks Treffen mit Italiens König Viktor Emanuel II. musste wegen Erkrankung des Königs abgesagt werden. Die Fahrt durch die Adria erfolgte durch aufgewĂĽhltes Meer als Folge der Winde Scirocco und Bora, weshalb am 2. Dezember die GREIF vorĂĽbergehend in der istrischen KĂĽstenstadt Piran anlegte. Einen Tag später wurde Triest erreicht, wo der Kaiser eine Parade der in der Stadt und Umgebung stationierten Truppen abnahm. Am 6. Dezember kehrte Franz Joseph nach Wien zurĂĽck, wo ihm einer feierlicher Empfang bereitet wurde.

Der überwältigende Empfang des Kaisers in Jerusalem und seine Spendenfreudigkeit für Einrichtungen aller Bekenntnisse haben ihm und Österreich-Ungarn die tiefe Sympathie der dortigen Bevölkerung eingetragen und das über mehrere Generationen hinweg, wie sich der Autor dieses Berichtes bei seinen Orientreisen selbst überzeugen konnte. Beda Dudik, der Historiograph und Reisekaplan des Kaisers hatte nach Abschluss der Kaiserreise festgestellt: „Österreich kann mit den Sympathien des Orients zufrieden sein“. So ist es trotz vergangener Kriege und politischer Umstürze bis heute geblieben.

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Harald Krachler
Gastautor bei VEUS-Shipping.com.