Scrubber auf Ostseefähren

Auf 0,1 % hatte die IMO ab dem 01.01.2015 den Höchstwert für Schwefeloxide in Schiffsabgasemissionen in den „Emission Control Areas“ (ECA) gesenkt, darunter die Ostsee. Fünf Jahre sind seitdem vergangen, doch wie haben die Fährreedereien in der Ostsee, einem der meistbefahrenen Reviere der Welt, auf diese Herausforderung reagiert? Eine Analyse.

Mehrere Optionen standen und stehen den Reedereien zur Auswahl, ihre Schiffe „ECA-fest“ zu machen, also die neuen Grenzwerte für Schwefeloxide (SOx ) einzuhalten. Die erste ist, den bisher eingesetzten herkömmlichen Treibstoff, meistens Schweröl (HFO) oder Dieselkraftstoff (MDO), durch speziellen Niedrigschwefel-Diesel zu ersetzen. Bekannt als ULSD („ultra-low sulphur diesel“), bietet dieser sich vor allem dort an, wo eine technische Umrüstung vor allem älterer Tonnage nicht möglich oder rentabel ist, auch wenn der Preis für ULSD beträchtlich höher liegt als der von Schweröl und Dieselöl. Die zweite Möglichkeit ist, die Schiffsabgase an Bord zu reinigen, damit sie gefiltert bzw. gewaschen in die Umgebung abgegeben werden können. Die Anschaffung und der Einbau von Abgaswäschern, sog. „Scrubbern“, kosten Geld, Platz und Zeit, ermöglichen den Reedereien jedoch, weiterhin vergleichsweise kostengünstigen Treibstoff zu bunkern und zu nutzen. Die dritte Möglichkeit ist die Umrüstung auf alternative schwefelfreie Kraftstoffe wie Erdgas oder Methanol und eine vierte schließlich, mittels Akkus oder Brennstoffzellen auf elektrischen bzw. Hybridantrieb umzustellen.

Große Passagierschiffe wie Kreuzfahrtschiffe oder Fähren haben in der Regel eine „Lebenserwartung“ von mindestens 25 bis 30 Jahren, so dass auch viele Ostseefährreedereien in den letzten Jahren jenen Teil ihrer Tonnage, der noch eine mittel- oder langfristige Perspektive in diesem Fahrtgebiet hat, vor allem mit Scrubbern ausgerüstet haben. Von den 124 großen Auto- und Passagierfähren, die Stand 01.01.2020 in der Ostsee in Fahrt waren, besaßen fünf Jahre nach der Einführung der 0,1%-Obergrenze für SOx 24 Schiffe einen Scrubber, das entspricht einem Anteil von ca. 19%. Die meisten davon waren relativ jungen Baujahrs (2000 – 2010), das älteste nachgerüstete Schiff allerdings Baujahr 1989 (die Kopenhagen – Oslo-Fähren PEARL SEAWAYS).

Armorique_Scrubber

Auf technischer Seite unterscheidet man drei verschiedene Typen von (Wet) Scrubbern: Open Loop-, Closed Loop- und Hybrid-Scrubber. (Eine Sonderform, der sog. „Dry Scrubber“, kommt wegen seines vergleichsweise hohen Gewichts und seines großen Volumens in der Fährschifffahrt nicht zum Einsatz.) Im Open Loop-Verfahren wird Meerwasser, das eine natürliche Fähigkeit zur Absorption von SOx besitzt, durch den Abgaswäscher gepumpt und nach der Abtrennung der öligen Feststoffe („Scrubber Sludge“) zurück ins Meer geleitet. Im Closed Loop-Scrubber dagegen zirkuliert das Meerwasser im Abgaswäscher-System, wobei die Zugabe von Natronlauge oder Magnesiumoxid erforderlich ist. Das verunreinigte Wasser sowie die angefallenen festen Rückstände werden in einem Tank gesammelt, zwischengelagert und später an Land gepumpt, wo beides aufbereitet bzw. entsorgt wird. In beiden Fällen wird über die Schiffsschornsteine (fast) nur noch Wasserdampf abgegeben, erkennbar an seiner fast weißen Farbe. Ein Hybrid-Scrubber kombiniert beide Systeme: Prinzipiell kann Meerwasser als Abgaswäscher verwendet und auch wieder von Bord gepumpt werden, allerdings kann bei Bedarf auch in den geschlossenen Modus gewechselt und das anfallende Abwaschwasser in Tanks an Bord gesammelt werden.

Während Open Loop-Scrubber den Vorteil haben, dass man keine zusätzlichen mitunter toxischen Chemikalien an Bord mitführen und keine größeren Mengen Abwaschwasser an Land entsorgen muss, ist der Meerwasserdurchsatz bei diesem Typ hoch und die Abgabe verunreinigten Meerwassers immer noch Umweltverschmutzung – man verlagert die schwefelhaltigen Emissionen lediglich von der Luft ins Meer. Im Gegensatz dazu verbrauchen Closed Loop-Scrubber weniger Wasser und leiten wesentlich weniger Schadstoffe in die maritime Umwelt zurück. Allerdings gilt die Handhabung der erforderlichen Natronlauge an Bord als aufwändig, und der Scrubber selbst erfordert zusätzlichen Raumbedarf für die nötigen Abwaschwasser-Sammeltanks.

Überhaupt hat sich das Thema Platz an Bord als heikelster Faktor bei der Nachrüstung insbesondere von Fährschiffen mit Scrubbern herausgestellt. Sowohl an Deck, wo der Scrubber-Einbau meistens mit dem Umbau des Schornsteins einhergeht, als auch unter Deck, wo neue Hilfsanlagen wie Pumpen, Separatoren, Tanks, Schaltschränke u. ä. unterkommen müssen, ist das Raumangebot auf Fährschiffen traditionell knapp. In vielen Fällen musste der nötige Platz daher von vorhandenen Frachtdecks und Laderäumen abgetrennt werden, an Deck mitunter vom Sonnen- oder Wetterdeck. Die damit verbundene (dauerhafte) Einschränkung der Ladekapazität hat bei vielen Reedereien eine Rolle bei der Entscheidung gespielt, ob sich eine teure Nachrüstung des betreffenden Schiffes überhaupt lohnt oder ob nicht doch der Betrieb mit Niedrigschwefel-Diesel am Ende wirtschaftlicher ist.

Von den 24 Ostseefähren, die seit 2013 mit Scrubbern nach- oder ausgerüstet worden sind, wurden 14 Schiffe mit Open Loop-Scrubbern ausgestattet, 7 mit Hybrid-Scrubbern und 3 mit Closed Loop-Scrubbern. Auch bei der Wahl des Fabrikats gibt es keinen eindeutigen Favoriten, die installierten Systeme verteilen sich auf sechs verschiedene Firmen: Finnlines und TT-Line (8 Schiffe) haben sich für die Scrubber der italienischen Firma EcoSpray sowie des österreichischen Konzerns ANDRITZ entschieden, DFDS (6 Schiffe) für den schwedischen Marktführer Alfa Laval, Scandlines (ebenfalls 6 Schiffe) für die Aggregate des niederländischen Herstellers AEC Maritime, und die vier übrigen Fähren wurden mit Scrubbern der Firmen Wärtsilä (3) und CR Ocean (1) nachgerüstet.

Bei jedem Schiff war wegen des Umfangs der nötigen Umbauarbeiten ein kürzerer oder längerer Werftaufenthalt erforderlich. Da im Rahmen der Scrubber-Nachrüstung meist auch andere Umbau- oder Renovierungsarbeiten an Bord vorgenommen wurden, lässt sich jedoch der zeitliche Aufwand der Maßnahme nicht genau beziffern. Die EUROPALINK (Finnlines) war dazu 2018 für ca. 5 Wochen in der Werft, die COLOR FANTASY und COLOR MAGIC 2015 für jeweils ca. 4 Wochen und die ROBIN HOOD (heute NILS DACKE) seinerzeit für 3 Wochen. Alle 24 Ostseefähren wurden interessanterweise auf „heimischen“ Werften mit der neuen Technik ausgerüstet, haben also die Ostsee für die Nachrüstung nicht verlassen. 14 Umrüstungen fanden bei Remontowa in Gdansk statt, 6 bei Fayard in Dänemark, 3 bei Öresund Dry Docks im schwedischen Landskrona und 1 bei der Turku Repair Yard in Finnland.

Über den Sinn und Zweck der Nachrüstung von Fährschiffen mit Scrubbern läst sich trefflich streiten. Während die Reedereien vor allem den Vorteil betonen, existierende Tonnage auf diese Weise weiterhin und dauerhaft wirtschaftlich einsetzen zu können, ist der ökologische Nutzen von Scrubbern zum Einen kaum messbar und zum Anderen zweifelhaft, wenn zumindest im Open Loop-Verfahren die Schadstoffe anstatt in die Luft nur ins Meer abgegeben werden. Und selbst die Wege, wie und wo das gesammelte Wasser und der Scrubber Sludge aus dem Closed Loop-Verfahren aufbereitet bzw. entsorgt werden, sind mitunter unergründlich. So kommt daher auch das Umweltbundesamt in einer Studie zu dem Schluss: „Grundsätzlich ist die Nutzung sauberer flüssiger (Diesel) oder gasförmiger (Erdgas) Kraftstoffe einer Abgasnachbehandlung zur Schwefelreduktion vorzuziehen.“ In einem marktwirtschaftlichen Umfeld, wo Betriebskosten niedrig gehalten werden müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben, und wo Schiffsneubauten mit sehr hohen Investitionen verbunden sind, ist das manchmal jedoch leichter gesagt als getan.

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Kai Ortel
Redaktionsmitglied bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Kreuz- und Fährschifffahrt.